Welt Online : Islamgelehrter geißelt den Terror der Islamisten
VON THOMAS KIELINGER
3. März 2010, 11:01 Uhr
Der in Pakistan lehrende Scheich Dr. Muhamad Tahir ul-Qadri spricht eine Fatwa gegen islamistische Selbstmordattentäter und Terroristen aus. Angeregt zu diesem "Rechtsgutachten" wurde ul-Qadri durch die Serie blutiger Anschläge, von denen Pakistan in letzter Zeit heimgesucht worden ist.
Eine der international bekanntesten Autoritäten der Islam-Forschung, der in Pakistan lehrende Scheich Dr. Muhamad Tahir ul-Qadri, hat in London eine Fatwa ausgesprochen gegen Selbstmordattentäter und Terroristen, die ihre Taten mit Hinweis auf den Islam zu rechtfertigen suchen. Basis der Fatwa ist seine 600-Seiten lange, in Urdu verfasste Quellen-Studie, die ul-Qadri, 58, gestern persönlich vorstellte, zusammen mit einer englischsprachigen Zusammenfassung.
„Ich spreche nicht anders als der Prophet“, deklarierte der Gelehrte, „diese Leute werden die Hunde der Hölle sein. Es gibt keinen islamischen Terrorismus – wer Terrorismus propagiert, ist kein Moslem, er stellt sich vielmehr außerhalb der islamischen weltweiten Umma und wird damit ein Ungläubiger.“
Die Anstiftung zu Mord und zur gewalttätigen Ausradierung aller Nicht-Moslems führt ul-Qadri auf die älteste extremistische Sekte des Islam zurück, die „Khawarijs“ (auch unter dem Name Kharijiten bekannt), die seit dem 7. Jahrhundert, schon bald nach der Lebenszeit des Propheten, ihren kompromisslosen Fanatismus predigten „und in der Geschichte immer wiederkehren, heute im Verein mit dem Antichrist und auch unter dem Namen Al-Quaida.“
Angeregt zu seiner Fatwa – eigentlich ein autoritatives Rechtsgutachten – wurde ul-Qadri durch die Serie blutiger Anschläge, von denen Pakistan in letzter Zeit heimgesucht worden ist. Der Westen höre immer nur von massiven Gegenmaßnahmen des pakistanischen Militärs, sagte er, während das Ministerium für Erziehung sowie die pakistanischen Moscheen stumm blieben. Dieser Sprachlosigkeit wolle er mit seinem Vorgehen entgegen wirken.
Auch die britische Regierung sieht ul-Qadri der steigenden Multikulturalisierung Englands „hinterherlaufen“. Daher berät seine 1981 gegründete Friedensorganisation „Minhaj-ul Qur’an“, die bereits in 70 Ländern tätig ist, seit Jüngstem auch die britische Politik bei den Versuchen, junge, für Indoktrinierung anfällige Briten aus pakistanischer Einwanderung für den Weg der Mäßigung (zurück) zu gewinnen. Dem gleichen Ziel hat sich auch die „Quilliam Foundation“ verschrieben, die inzwischen bereits offiziösen Charakter genießt.
Durch die Zuhörerreihen gingen gestern wiederholt Rufe des Erstaunens, mit welcher Präzision Dr. ul-Qadri den islamischen Quellenstand zum Thema Terrorismus vortrug, spezifisch die seit den frühesten Zeiten vorliegende Verdammung der „Khawarij“. Seine Hauptbelege sind dabei der Koran und der „Hadith“, die wichtigste islamische Überlieferung zu Ansichten und Stellungnahmen des Propheten selber.
„Auch die Soldaten des Antichrist zitieren für ihre Zwecke aus dem Hadith“, befand der Gast, dessen Ansehen auf vielen Strängen gelehrter Autorisierung beruht. Eingehend beschrieb er die Methoden der Extremisten und ihrer „Heuchelei“: „Sie nehmen sich gerne junger Leute an und unterziehen diese einer Gehirnwäsche; sie treten mit übergroßen Bärten auf und tragen ihre Hosen über den Knöcheln; sie haben Herzen von Tigern, ohne Liebe und Mitleid, und betrügen das gläubige Volk.
Schon an ihrer ersten Forderung kann man sie erkennen – der Einführung einer islamischen Herrschaft.“ Doch der Terrorismus, so fasste Dr. ul-Qadri zusammen, „hat keinen Bezug zum wirklichen Islam, der Frieden, Toleranz und Mäßigung propagiert.“
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